Montag, 19. Dezember 2011

Schnee vor den Augen

Burn-out scheint ein dankbares Thema zu sein, sogar das neuste Yoga aktuell widmet dem Ausgebranntsein ein ganzes Dossier. Ich hab noch nicht alles gelesen - wann denn - aber einen persönlichen Bericht einer Yogalehrerin schaffte ich am Samstagmorgen im Zug nach Basel (an meine Yogalehrerinnen-Ausbildung). Ja, offensichtlich können auch Yogalehrerinnen ausbrennen. Wahrscheinlich kann es uns alle irgendwann treffen, denn, so wie ich langsam begreife, ist nicht ein bestimmtes Persönlichkeitsmerkmal dafür verantwortlich. Vielmehr sind es Mobiltelefone, E-Mails, Facebook und Xing, die uns ununterbrochen beschäftigen, denn wir alle wollen ja nichts verpassen. Es könnte ja wichtig sein! Deshalb sind wir ständig erreichbar, werden zu "Sklaven unserer iPhones und Laptops".
Wieso eigentlich? Unser Lebenstempo habe sich in den letzten 200 Jahren verdoppelt, obwohl die registrierte Gesamtarbeitszeit sinke, fühlten sich immer mehr Menschen permanent unter Termindruck, Entscheidungsstress und Zeitnot, schreibt die Autorin weiter. Fast die Hälfte der Deutschen sagte in einer Untersuchung, sie litten unter chronischer Zeitknappheit. Von vielen werde dies sogar als extreme psychische Belastung wahrgenommen.

Die Autorin wachte eines Morgens auf und alles, was sie sah, war Schnee vor den Augen. Sie hatte keinen Zusammenbruch sondern so etwas wie visuellen Tinnitus. Weil die Symptome nicht verschwanden, musste sie eine Auszeit von einigen Monaten nehmen, ging stundenlang spazieren und fühlte sich langsam wieder eins mit der Natur.

Burn-out gelte als deutsches Phänomen, lese ich weiter. Nirgendwo sonst werde den Menschen ein solches Leistungsdenken, bestehend aus Pflichten, Leistung und Einhaltung von Disziplin, mit in die Wiege gelegt.
Ich würde mal sagen, wir Menschen in der Schweiz tragen ein ähnliches Schicksal. Auch hierzulande hat Leistung einen hohen Wert.

Weil wir Teil unserer Gesellschaft und unserer Kultur sind, können wir uns all dem nur schwer entziehen.
Ich selber checke meine Mails nur ein- bis zweimal pro Tag und selten Abends. Facebook und Xing interessieren mich nicht. Ausserdem habe ich angefangen, mein Handy auf lautlos zu lassen, wenn ich nach Hause komme. Abends möchte ich loslassen können, abends ist Ich-Zeit. Und auch ein bisschen Hundezeit.
Aber trotzdem leide ich unter Zeitknappheit, empfinde ich mein Leben als zu voll.
Heute kam ich spät nach Hause und wir mussten im Dunkeln in den Wald. Aber so dunkel war der gar nicht, Schnee sei Dank!

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