Montag, 14. Februar 2011

Leichen

Heute in drei Monaten um diese Zeit ist der Grand-Prix vorbei - und ich hoffentlich glücklich und stolz mit schmerzenden Muskeln! Ich bin die Strecke von 16.1 Kilometern nun schon zweimal gerannt, vergangenes Jahr brauchte ich aber gut zwei Minuten länger. Da ich keine schnelle Läuferin bin, wie hier schon oft erwähnt (vielleicht könnte ich in einem Halb- oder Ganzmarathon meine Langdistanzbegabung besser ausleben??), musste ich mich jedes Mal beeilen, damit ich noch vor dem Schluss das Ziel erreichte.
Dass ich nicht mit einem freudigen Hochgefühl an dieses Rennen gehe, liegt auch an meiner schrecklichen Erfahrung mit dem ersten Rennen meines Lebens, dem Frauenlauf. Nur zehn Kilometer, ist ja ein Klacks, dachte ich, als ich mich als anmeldete. Damals rannte ich seit zwei Jahren - und hatte von nichts eine Ahnung. Weil ich meinen üblichen Liter Tee zum Frühstück getrunken hatte und der Lauf morgens stattfand, hatte ich etwa zehn Minuten vor dem Start ein Problem. Wer als Frau an solchen Veranstaltungen mal pinkeln muss - mensch, sogar in einem simplen Kino in der Pause ist der Fall der gleiche: endlose Frauenschlange vor dem einzigen Klo! Na ja, damals half ein dicker Baum, hinter dem ich mich verstecken konnte. Ich war in der ersten Gruppe eingeteilt, dachte mir nichts dabei, dachte, das habe vielleicht mit meinem Nachnamen zu tun, der mit A beginnt.
Der Startschuss ging los und alle Frauen in meiner Gruppe düsten los, wie wenn sie Raketen wären. Ich düste mit, aber nach etwa vier Minuten war bei mir die Luft draussen. Dann war es nur noch ein Kampf und Krampf. Ich ging und rannte, obwohl ich absolut keine Kraft mehr hatte. Irgendwann erreichte ich das Ziel und mir wurde vom Bratwurstgeschmack, der da in der Luft lag, schlecht.
Ich fühlte mich mies, war kein bisschen stolz, wollte das Ganze nur so schnell wie möglich vergessen und schwor mir, nie mehr an einem Rennen teilzunehmen.

Das Peinlichste kommt erst hier: Zwei Wochen später erhielt ich per Post eine Auszeichnung: Man gratulierte mir zu meiner 10jährigen Teilnahme am Frauenlauf. Ich starrte ungläubig auf das schön gestaltete Zertifikat und langsam dämmerte es mir: Da war ich offensichtlich mit jemandem verwechselt worden. Mit einer Frau, die den gleichen Namen trug und viel schneller war als ich. Ich hätte in die letzte Gruppe gepasst, zu den langsamen Anfängerinnen.
Jetzt würde ich hier gerne schreiben, dass ich die Auszeichnung mit dem Vermerk "Irrtum" zurückschickte. Tat ich nicht. Ich warf sie auch nicht weg, diesen Mut hatte ich offensichtlich auch nicht.
Manche Leute bewahren ihre Leichen in ihrem Keller auf. Eine meiner Leichen hängt irgendwo in unserem Haus, versteckt hinter einem Bild in einem Bilderrahmen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen