Samstag, 25. Dezember 2010

Apprivoiser

Englisch finde ich die zweitbeste Sprache (die beste ist für mich Chinesisch, aber darüber ein anderes Mal). Französisch traumatisierte mich während meiner ganzen Schulzeit. Und trotzdem gibt es Wörter, die klingen auf Englisch nicht so gut, dafür ganz gut auf Französisch: bricoler für basteln tönt doch viel besser als to do handicrafts! Oder to tame ist nichts gegenüber apprivoiser!
Das letzt genannte Wort kenne ich seit meiner Gymnasiumszeit, als ich aus lauter Verzweiflung ob meiner schlechten Französischnoten Le petit prince kaufte und das Büchlein durchackerte. Ich besitze es jetzt noch, deshalb weiss ich, dass ich fast jedes dritte Wort in einem Wörterbuch nachschlagen musste. Die Geschichte gefiel mir und ich verstand sie endlich. Ich hatte das Buch schon mal als Schulkind auf Deutsch geschenkt gekriegt, gelesen und Bahnhof verstanden. Man sieht nur mit dem Herzen gut, dieser Satz ist mir geblieben. Und dass man jemanden zuerst zähmen muss, bis er/sie zum Freund oder Freundin wird.

Das Wort apprivoiser erinnert mich zur Zeit an Lucy oder genauer an den Prozess, den wir beide durchmachten. Sie ist meine treue Begleiterin geworden, wo ich bin im Haus, dort ist auch sie. Wenn ich in ein anderes Zimmer gehe, erhebt sie sich wortlos, folgt mir und legt sich irgendwo in meiner Nähe hin. Sie gehorcht mir - ok, noch nicht ganz auf das erste Wort, aber auf das zweite oder dritte. Sie vertraut mir. Das war am Anfang noch gar nicht der Fall. Oft blickte sie durch mich hindurch, als wäre ich aus Glas, tat autistisch, schnappte sogar einige Male nach meiner Hand, als ich sie streicheln wollte. Sie erinnerte mich immer wieder an einen kleinen wilden Wolf. Ich habe Lucy zähmen können. Und vielleicht hat auch sie mich irgendwie gezähmt, denn ich bin überzeugt, ein solcher Prozess beruht auf Gegenseitigkeit. Und - apprivoiser braucht Zeit!

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